Erste Namen von Bobinger Sozialdemokraten finden sich in den Gemeinderatsniederschriften aus dem Jahre 1919. Es waren dies die Vertreter der „Mehrheitssozialdemokratischen Partei“, die Genossen Füchsle, Reith und Schwimmbeck.
Vom 19.02.1920 datiert der erste aus dem Archiv der Stadt ersichtliche Antrag der Mehrheitssozialdemokratischen Partei“. Er betraf die Holznutzungsrechte. In diesem Antrag setzten sich Bobingens Sozialdemokraten für eine gerechte und soziale Verteilung des im Gemeindegebiet zur Verfügung stehenden Nutzholzes ein.
Im Jahr 1923 war die „Mehrheitssozialdemokratische Partei“ in Bobingen bereits so weit etabliert, dass sie in der Person des Maurers Lorenz Füchsle, Bobingen, HsNr. 238 einen eigenen Bürgermeisterkandidaten aufstellen konnte. 1929 erreichten Bobingens Sozialdemokraten 291 von 1129 abgegebenen Stimmen und stellten mit Lorenz Füchsle, Werner Daniel und Johann Wildegger drei Gemeinderäte.
In Würdigung besonderer Verdienste im Einsatz für Meinungsfreiheit, Demokratie und Solidarität unter den Menschen und Völkern, beschloss die SPD-Stadtratsfraktion Bobingen, herausragende Persönlichkeiten mit dem von ihr gestifteten Willi-Ohlendorf-Preis zu ehren. Die zu ehrenden Personen sollen sich durch besondere Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Lebensraumes verdient gemacht haben und zwar
• durch demokratisches Engagement und Zivilcourage • über politischen, gesellschaftlichen und sozialen Einsatz • in der historischen Forschung bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Dritten Reiches, insbesondere der Themenkreise Widerstand, Juden, Sinti und Roma, andere Verfolgte, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.
Nationalsozialismus, Holocaust und Kriegsverlauf sind in eine mehr als drei Generationen überspannende, historische Distanz getreten. Daraus ziehen manche den voreiligen Schluss, das Thema doch endlich abzuhaken und einen Schlussstrich zu ziehen. Dem wollen wir in Bobingen etwas entgegensetzen, in dem Bewusstsein, dass ein Land, eine Region, ein Ort, seiner Geschichte nicht entfliehen kann.
Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich die Chance, dem Widerstandskämpfer aus Bobingen, Willi Ohlendorf, ein bleibendes Gedächtnis zu setzen und sein vorbildliches Verhalten, im Glauben an eine bessere Zukunft und als herausragendes Beispiel, gerade für junge Menschen, herauszustellen.
Willi Ohlendorf hat sich bedingungslos gegen die nationalsozialistische Diktatur und den heraufziehenden Krieg gestellt, obwohl er eine Familie mit drei kleinen Kindern hatte. Er arbeitete als Ingenieur bei der IG-Farben-Fabrik in Bobingen. Seine kritische, ablehnende Haltung sowie die Mitgliedschaft in einer sozialistischen Gruppe, dem „Internationalen Sozialistischen Kampfbund“, führte 1938 nach einem Propaganda-Prozess zu einer Verurteilung von sechs Jahren Zuchthaus mit Zwangsarbeit. Nach Ableistung der Haftzeit wurde Willi Ohlendorf nicht entlassen, sondern kam als Schutzhäftling über das KZ Dachau nach Gandersheim-Brunshausen, einem Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald, wo er entkräftet und krank am 26. November 1944 zu Tode kam.
Im Gedenken und Erinnern an diesen gleichsam heldenhaften Einsatz gegen die Diktatur und für die Demokratie ist Willi Ohlendorf ein leuchtendes Beispiel für uns alle.
Erstmals wurde der Preis 2007 an Alexandra Herz für ihre Facharbeit zum Thema „Der Widerstand des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) gegen den Nationalsozialismus unter Einbezug des Portraits des ISK-Mitgliedes Willi Ohlendorf“ verliehen.
Alexandra Herz hat zur Abiturprüfung 2005 am Peutinger Gymnasium Augsburg eine vorbildliche Facharbeit im Leistungskurs Geschichte mit dem Thema „Der Widerstand des Internationalen So-zialistischen Kampfbundes (ISK) gegen den Nationalsozialismus unter Einbezug des Portraits des ISK-Mitgliedes Willi Ohlendorf“ erarbeitet.
Dr. Hans-Jochen Vogel, Oberbürgermeister von München 1960 – 1972, Bundesjustizminister 1974 – 1981, Gründungsvorsitzender 1993 – 2000 und Ehrenmitglied des Vorstands des Vereins "Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V." hielt eine bewegende Laudatio und überreichte den Preis.
Der Preis 2010 wurde an Dr. Bernhard Lehmann vergeben. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Schicksalen von Zwangsarbeitern während des Zweiten Weltkriegs in unserer Region und in Bobingen.
Zusammen mit seinen Schülern erforscht er seit vielen Jahren die Schicksale von Zwangsarbeitern während des Zweiten Weltkrieges in der Region und in Bobingen. Vor ziemlich genau zwei Jahren berichtete der engagierte Lehrer in Bobingen von seinen Reisen in die Ukraine und den Begegnungen mit den Menschen. Einige davon hatten auch in der ehemaligen Fabrik der Bobinger I. G. Farben gearbeitet. Unermüdlich sammelt Dr. Lehmann Spenden und überbringt diese auf seinen zahlreichen Reisen an heute noch Lebende.
Durch seinen Einsatz gelingt es ihm, diesen Menschen nach so langer Zeit gleichsam wieder ein Gesicht zu geben. In Würdigung besonderer Verdienste im Einsatz für Meinungsfreiheit, Demokratie und Solidarität unter den Menschen und Völkern hat die SPD-Stadtratsfraktion Bobingen beschlossen, herausragende Persönlichkeiten mit dem von ihr gestifteten Willi-Ohlendorf-Preis zu ehren.
Den Preis überreichte Franz Maget, Vizepräsident des Bayerischen Landtags
2012 wurde der Preis an die Staatliche Realschule Bobingen vergeben. Die Schülerinnen und Schüler der damaligen 10. Klasse haben in einer Projektarbeit zusammen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern, sowie der Unterstützung durch das Kulturamt der Stadt Bobingen, die Lage der Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkrieges in Bobingen erforscht. Dabei haben sie unter anderem auch den Lebensweg einer im Juni 1945 im heutigen Stadtteil Waldberg geborenen Tochter einer ukrainischen Zwangsarbeiterin verfolgen können. 2011 wurde die Straße zur Real-schule auf Initiative der Schule zum Willi-Ohlendorf-Weg gewidmet.
Zudem wurde 2012 der Ehrenpreis an Pfarrer Friedrich Schafranek verliehen. Seine Biografie reicht von der Geburt in Wien über Frankfurt am Main nach Berlin, in das Ghetto Litzmannstadt, KZ-Auschwitz und KZ-Kaufering. Nach Erkrankung und Flucht, während der Räumung des KZ-Lagers Kaufering im April 1945, erlangte er wieder die Freiheit. Er fand zur evangelisch-lutherischen Kirche und wirkte als Pfarrer in Australien. Nach seiner Rückkehr arbeitete er in verschiedenen Pfarreien, z.B. in Augsburg und Königsbrunn. Von 1986 bis zu seinem Tod 2013 wohnte er in Bobingen.
Dieser ungewöhnliche Lebenslauf, das erlittene Leid, die vorbildliche Zivilcourage und sein stetes Engagement zur Aussöhnung haben die SPD-Stadtratsfraktion veranlasst, Pfarrer Schafranek den Willi-Ohlendorf-Ehrenpreis zu verleihen.
Die Preisverleihung wurde von Walther Seinsch, Beiratsmitglied im Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V. und Vorstandsvorsitzender des FC Augsburg vorgenommen.
Der Willi-Ohlendorf-Preis 2020 wurde an Josef Pröll verliehen. Josef Pröll erzählt und zeigt nicht zuletzt in seinen beiden Dokumentarfilmen „Anna ich hab Angst um dich“ und „Die Stille schreit“ die Geschichte jüdischer Familien in Augsburg und Umgebung, die in der Nazi-Zeit alles verloren haben.
Er kämpft nicht nur gegen das Vergessen, sondern auch gegen einen wieder erstarkenden Juden-hass und wie sich deren Diskriminierung nach dem Zweiten Weltkrieg fortsetzt.
Josef Pröll ist u. a. Mitglied des Präsidiums der Lagergemeinschaft Dachau, Bildungsreferent der Jugend- und Erwachsenenbildung der IG Metall, Referent der KZ-Gedenkstätte Dachau und Mitglied im Verein Gegen Vergessen – für Demokratie e. V. Er führt die Tradition des Widerstands fort und verschafft den Opfern von damals Gehör.
Laudatio und Preisverleihung erfolgte durch Frau Dr. h. c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern K.d.ö.R.